Aiga Rasch: Die drei ??? und Honoré Daumier: Bürgerliche Idyllen im Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst
Seit mehr als einem halben Jahrhundert lösen die Detektive Justus, Peter und Bob einen Kriminalfall nach dem anderen, anfangs präsentiert vom Filmregisseur Alfred Hitchcock. Für das prägnante und unverwechselbare Design der berühmten Jugendbuchserie »Die drei ???« zeichnete Aiga Rasch (1941–2009) verantwortlich. Die Ausstellung im Museum Wilhelm Busch bietet spannende neue Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Kult-Serie – nicht nur für Fans.
»Wenn euch mein Entwurf nicht gefällt, verzichte ich auf mein Honorar.« Mit diesen Worten überzeugte die Künstlerin Aiga Rasch 1969 die damaligen KOSMOS-Lektoren, ihr die Neugestaltung der Buchcover der Reihe »Die drei ???« anzuvertrauen. Die starken Illustrationen auf schwarzem Grund waren ein optisches Novum auf dem damaligen Kinderbuchmarkt und ein mutiger Schritt für den Verlag. Der Erfolg gab der selbstbewussten Pionierin und ihren Förderern recht: Aiga Raschs Handschrift machte die Reihe unverwechselbar und trug damit maßgeblich zum Erfolg der Bücher bei. Der hohe Wiedererkennungswert und zugleich assoziative Stil Aiga Raschs lässt der eigenen Fantasie viel Raum. Das von ihr etablierte Design mit plakativen Illustrationen auf schwarzem Grund mit weißer Schrift wird bis heute verwendet.
Von 1970 bis 1999 illustrierte sie mehr als 100 Cover für die Reihe des KOSMOS-Verlags. Ab 1979 zierten ihre farbstarken und aussagekräftigen Illustrationen zusätzlich auch die Hörspiele des Tonstudios Europa und tragen dazu bei, dass die ursprünglich aus dem Amerikanischen übersetzte Krimireihe vor allem in Deutschland bis heute Kultstatus genießt; ihre Motive kamen aber auch in China oder Polen zum Einsatz.
Aiga Rasch wurde 1941 in Stuttgart geboren. Ihre Mutter, Lilo Rasch-Naegele, war eine europaweit bekannte Illustratorin und Malerin; ihr Vater, Bodo Rasch, betrieb eine impulsgebende Architektur- und
Designwerkstatt. In Ermangelung anderer Spielsachen beschäftigte sich Aiga Rasch bereits als kleines Kind mit Pinsel und Palette. Vor dem Abitur nahm sie an einem Romanwettbewerb des KOSMOS Verlags teil und durfte sich bereits im Verlag vorstellen; seit 1963 arbeitete sie als selbstständige Grafikerin. Im Lauf ihrer Karriere entwarf sie für 50 Verlage über 500 Coverillustrationen und schuf mehr als 5.000 Abbildungen, vor allem für zahlreiche Bestseller im Bereich der Kinder- und Jugendbuchliteratur. Charakteristisch für Aiga Rasch sind plakative, narrative Motive mit hohem Wiedererkennungswert und grelle, ästhetisch aufeinander abgestimmte Filzstiftfarben.
Die Ausstellung im Museum Wilhelm Busch gibt einen Überblick zur Covergestaltung von Aiga Rasch, deren Nachlass sich im Landkreis Ludwigsburg befindet. Bisher lagerten die unbekannten Skizzen,
Alternativentwürfe und Bildvorlagen in Archiven oder auf Festplatten.
So, wie ein gelungenes Cover mit einem Bild eine ganze Geschichte erzählt, so steckt auch hinter jedem Cover eine umfangreiche Entstehungsgeschichte. In der Ausstellung sind die vielen Varianten zu den von Aiga Rasch begleiteten Folgen von »Die drei ???« zu entdecken, die originalen Reinzeichnungen und späteren Computerzeichnungen für die finale Covergestaltung – die Ideenfindung zu den plakativen und eindrücklichen Titelbildern wird nachvollziehbar.
In der Regel ließ Aiga Rasch die drei Detektive nicht selbst in Aktion treten, sondern sie entwarf eine visuelle Anspielung auf den Inhalt. In der Ensmann-Galerie des Museums können Interessierte den Abenteuern der Detektive Justus, Peter und Bob lauschen. Ein interdisziplinäres Begleitprogramm wird zudem die Ausstellung ergänzen.
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Honoré Daumier: Bürgerliche Idyllen
»Daumier a poussé son art très loin, il en a fait un art sérieux; c’est un grand caricaturiste. Daumier hat seine Kunst sehr weit getrieben, er hat sie zu einer ernsten Kunst erhoben; er ist ein großer Karikaturist.« Charles Baudelaire
Am 22. Juli 1830 veröffentlichte die satirische Zeitschrift »La Caricature« die erste Lithografie von Honoré Daumier (1808–1879), welcher der bedeutendste Karikaturist seiner Epoche werden sollte – und der bis heute Maßstäbe setzt. Über 4.000 Lithografien hat er geschaffen, rund 1.000 Holzschnitte, dazu Plastiken und Gemälde. Nach der zensurbedingten Einstellung von »La Caricature« 1835 war es vor allem die 1832 gegründete satirische Zeitschrift »Le Charivari«, in der Daumier über mehr als vier Jahrzehnte eine satirische Kulturgeschichte Frankreichs geschrieben hat.
Politische Umstürze und Umwälzungen begleiteten das Leben und Schaffen Honoré Daumiers: Von der Julimonarchie unter dem Bürgerkönig Louis Philippe von Orléans bis zur Februarrevolution von 1848 und der nachfolgenden, kurzlebigen Zweiten Französischen Republik bis zum Zweiten Kaiserreich unter Napoleon III. Phasen relativer Pressefreiheit wechselten mit Zeiten strenger Zensur. Vor allem durch Daumier wurde die Karikatur in diesen wechselhaften Zeiten, gleich einem Chamäleon, zur Signatur der Epoche: Sie passte ihr Gewand an, doch behielt sie stets ihren Stachel.
Neben den politischen Akteuren und den Jongleuren der Finanz- und Geschäftswelt war sein Thema die Großstadt Paris – als Brennpunkt gesellschaftlicher Entwicklungen mit Gewinnern und Verlierern, als Symbol für Modernisierung und technischen Fortschritt, als Zentrum von Kunst und Kultur. In seinen zahlreichen Serien hat er oft über mehrere Jahre hinweg einzelne Berufsgruppen, soziale Milieus oder Themen verfolgt und in allen Schattierungen ausgeleuchtet: So Politiker in »Les Représentans Représentés« oder Juristen in »Les Gens de Justice«; das Leben der Menschen von Paris in »Les Bons Bourgeois« oder »Emotions Parisiennes«, ihre häuslichen Szenen in Folgen wie »Moeurs Conjugale«.
Die Sammlung des Museums Wilhelm Busch bewahrt einen großen Bestand an Lithografien von Honoré Daumier, zuletzt 2017 substanziell erweitert durch die Schenkung einer Privatsammlung samt zugehöriger Bibliothek mit dem Schwerpunkt auf Karikaturen zum Thema Justiz. Für die Ausstellung wurden rund 100 Blätter ausgewählt. Sie zeigen die Brüchigkeit der bürgerlichen Welt in einer Zeit politischer und gesellschaftlicher Zerreißproben um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf.
Daumier erweist sich dabei als Meister der genauen Beobachtung: Sei es im Aufzeigen der Sehnsüchte der Menschen nach einer – wenn auch nur scheinbaren – Idylle, ihre nicht immer lauteren Versuche, sich Vorteile zu sichern oder sich kleine Freuden im Alltag zu verschaffen.
Daumiers Lithografien sind immer wieder mit Honoré de Balzacs »La Comédie humaine« verglichen worden – gerade durch ihre zeitlosen Einsichten in die menschliche Natur. Dafür schätzten ihn auch schon seine Zeitgenossen: »Denn Daumier, und das ist sein Verdienst, ist sowohl Porträtist als auch Karikaturist, sowohl Historiker als auch Satiriker. Er knetet sein Modell, wie es ihm gefällt, aber selbst in seinen größten Launen respektiert er die Wahrheit. Dort ist er vor allem ein Künstler«, so 1874 der Schriftsteller und Journalist Jules Claretie (1840–1930).
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Mit Beginn der neuen Ausstellungen öffnet das Museum wieder von
Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 11 bis 17 Uhr.
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Fotos: 17.09.2021 Matthias Falk - hannover_fotografie